Frage: Sind Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung ausgeschlossen, weil der Anleger in einem Formular (bspw. Beitrittserklärung) bestätigt hat, den Emissionsprospekt erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben?
Antwort: Nein!
Die Bestätigung, den Emissionsprospekt „erhalten“ zu haben, lässt es lediglich als wahrscheinlich erscheinen, dass der jeweilige Anleger den Prospekt überhaupt erhalten hat. Ein über diese Information hinausgehender Erklärungswert kommt der Bestätigung bereits dem Wortlaut nach nicht zu. Insbesondere lässt sich dieser Bestätigung keine Aussage dazu entnehmen, wann der Anleger den Prospekt erhalten hat und ob er den Prospekt rechtzeitig vor der Unterzeichnung erhalten hat.
Die Formulierung „zur Kenntnis genommen“ ist wiederum so uneindeutig, dass auch hieraus der Schluss auf eine frühzeitige Prospektübergabe nicht gezogen werden kann.
Fazit: Soll eine Anlageberatung (auch) durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, muss zum einen der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln. Außerdem muss er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. Das ist dann jedenfalls nicht der Fall, wenn der Prospekt erst im Termin der Unterzeichnung übergeben wird. Die Rechtsprechung geht insoweit regelmäßig von einer Frist von etwa 2 Wochen aus (wobei die Frist im Einzelfall auch kürzer sein kann). Eine in diesem Fall nicht rechtzeitige Übergabe des Prospekts lässt regelmäßig den Schluss auf eine fehlerhafte Anlageberatung zu mit der Folge, dass Schadenersatzansprüche durchgesetzt werden können.